
    Ob bei offiziellen Anlässen – so wie hier – oder in privater Runde:   Dorota Idczak hilft seit mehr als 20 Jahren, Sprachlosigkeit zwischen   Deutschen und Polen gar nicht erst aufkommen zu lassen.									Foto: Stefan Volpert 
  
Wie ich Nottuln lieben lernte
Dorota Idczak dolmetscht seit mehr als 20 Jahren zwischen deutschen und polnischen Freunden
Nottuln. 20 Jahre Städtepartnerschaft – das sind 20   Jahre Freundschaft, 20 Jahre unseres mit vielen Begegnungen,   Erlebnissen, Freude und Trauer ausgefüllten Lebens. Angefangen hat alles   für mich bereits im Jahre 1989 in der Zeit um den 1. November. 
  Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wer mir damals mitgeteilt hat,   dass Vertreter eines Ortes aus Deutschland kommen, die nach einer   Partnerstadt suchen, und eine Dolmetscherin gebraucht wird. Irgendwie   konnte ich nicht absagen, obwohl ich nicht besonders glücklich war, weil   das die arbeitsfreien Tage waren und ich andere Pläne geschmiedet   hatte. Mir blieb aber keine andere Wahl als mitzumachen. 
    Diese Entscheidung habe ich nie bereut. Auf diese Weise habe ich   tolle Menschen kennengelernt, die mit der Zeit zu echten Freunden   geworden sind. 
    Da auf dem Programm des Erkundungstrupps aus Nottuln der Besuch meiner Schule – des Lyzeums – stand, habe ich mit meinen Schülern die Aufführung von „Rotkäppchen“ auf Deutsch vorbereitet. 
    Die   erste Gruppe von Schülern der Nottulner Realschule kam im März 1992 und   war auch bei der Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde in Chodziez   anwesend. Als erste Betreuer der Realschule wagten sich eine junge   Lehrerin, Vera Brendel, heute Mitglied des Städtepartnerschaftskomitees,   und ein junger Lehrer, Ulli Suttrup, heute Leiter der Realschule, nach   Chodziez. 
    Dann im Mai 1992 erfolgte unser erster Gegenbesuch in   Nottuln. Als ich das erste Mal Nottuln gesehen habe, war ich begeistert.   So ist es bis heute geblieben. Aber es war für mich nicht immer leicht,   zwölf Tage von zu Hause weg zu sein (so lange dauerte in den ersten   Jahren der Austausch), denn meine Kinder waren noch klein und die   Sehnsucht nach ihnen war groß. 
    Immer wieder hatten wir Angst,   dass aus finanziellen Gründen die Schüler nicht fahren konnten.   Glücklicherweise werden wir seit Jahren vom Deutsch-Polnischen   Jugendwerk (DPJW) finanziell unterstützt, was den regelmäßigen Austausch   erst möglich gemacht hat. 
    Ich war insbesondere in den ersten   Jahren der Städtepartnerschaft sehr oft in Nottuln, als Mitglied des   Partnerschaftskomitees, als Betreuerin der Austauschschüler, als   Dolmetscherin mit der offiziellen Delegation und bei allen wichtigen   Ereignissen. In den ersten zwei oder drei Jahren musste ich den   Schüleraustausch alleine vorbereiten, jetzt teilen sich meine Kollegin   und Deutschlehrerin Joanna (Asia) Ciepluch-Lach und ich die Aufgaben. 
    Wir finden, dass sich bei vielen Schülern gerade durch diesen Austausch das Interesse an der deutschen Sprache und Kultur entwickelt und Vorurteile überwunden werden. Man beginnt anders zu denken, wenn man Land und Leute kennenlernt. 
    Ich habe noch ein Bild im Kopf: das Jahr 1992 – die deutschen und polnischen Schüler und die   offiziellen Delegationen von beiden Seiten stehen an einem Denkmal für   Ermordete im Zweiten Weltkrieg. Es gießt in Strömen und da stehen unter   einem Regenschirm aneinander geschmiegt zwei Schülerinnen – eine   deutsche und eine polnische – und beten das „Vater unser“. Ein rührendes   Bild, das mir gezeigt hat, dass wir mit dieser neuen Generation   hoffnungsvoll in die Zukunft blicken können.
Von Dorota Idczak
Westfälische Nachrichten, 18. April 2012




















